Wer am Donnerstagabend auf der Holzgerlinger Tennisanlage einen Platz buchen möchte, muss früh dran sein, denn dies ist der traditionelle Trainingsabend der H90. Dabei handelt es sich nicht um angegraute Herren, die im rekordverdächtigen Alter noch der gelben Kugel nachjagen, vielmehr ist es die Community aus Herren 40 und Herren 50, welche die Anlage weitgehend in Beschlag nimmt.
Masse
Zwar haben auch andere Vereine in diesen Jahrgängen lange Meldelisten, doch oft ist die Zahl der tatsächlich spielfähigen und spielwilligen Tennis-Senioren deutlich geringer. Nicht so in Holzgerlingen. 25 Spieler beteiligen sich aktiv am Trainings- und Spielbetrieb. Sportwart Björn Wehling bringt es auf den Punkt: „Obwohl wir bei den 90ern drei 6er-Mannschaften gemeldet haben, gibt es den ein oder anderen der gerne ein paar mehr Einsätze in der Verbandsrunde gemacht hätte. Mit 5 oder sogar nur mit 4 Spielern anzutreten, wie es bei unseren Gegnern vorkommt, ist bei uns kein Thema“.
Klasse
Aber auch leistungsmäßig ist die Truppe nicht zu verachten. Mit einer Leistungsklasse ab „LK13“ geht typischerweise ein etwas ambitionierteres Tennisspiel einher. Bei den 40ern reicht das nicht einmal für die Stammformation und auch bei den 50ern hat man damit noch keine Spitzenposition inne. Schon beinahe traditionell werden Verbandsspiele auf den starken Positionen 4, 5 und 6 gewonnen. Wo bei den Gegnern oft nur noch mit LK23 aufgefüllt wird, da kommt in Holzgerlingen noch richtig Qualität. Nicht umsonst also, dass die Sommersaison mit fast schon sensationellem Erfolg abgeschlossen werden konnte. Die 40er schrammten in der Verbandsliga bei Punktgleichheit nur um wenige Matches an der Meisterschaft vorbei und durften die Vize-Meisterschaft feiern. Oberliga wäre eventuell etwas zu viel des Guten gewesen, aber man hätte es auch mitgenommen. Genau so viel Können, aber etwas mehr Glück hatten die Herren 50/1 und Herren 50/2. Auch hier gab es dramatische Kopf-an-Kopf-Rennen. Letztendlich setzten sich beide – auch dank Schützenhilfe aus Altdorf/Hildrizhausen und Dagersheim – hauchdünn durch und holten sich jeweils die Meisterschaft. H50/1 schlägt damit im nächsten Jahr in der Verbandsliga auf und H50/2 rückt in die Bezirksliga auf. Insbesondere die Meisterschaft der Herren 50/1 ist dabei ein echtes H90-Produkt. Denn entscheidende Siege wären ohne gezielte Ersatzverstärkung aus den Reihen der 40er-Truppe nicht möglich gewesen.
Tennis auf dem zweiten Bildungsweg
Die Erfolge werden dabei bisweilen mit etwas unkonventioneller Technik errungen. Nicht verwunderlich, da die meisten H90-Cracks keine gelernten Tennisspieler sind. Klaus Ehrmann, Tscholie Stündel und Berti Welzel waren Leistungsträger bei den Holzgerlinger Kickern und auch Axel Pfeffer, Holger Henck und Helmut Pielok konnten und können mit dem runden Leder umgehen. Andy Waiblinger war einst einer der besten Handballer im Kreis und auch Jochen Wacker und Sven Engemann verstanden sich auf Sprungwurf und knallharte Kreisabwehr. Björn Wehling brachte seine 1,92m unter dem Basketball-Korb in Position, Frank Gysau ist seit je her Motorsportler und Uwe Fischer fährt hauptsächlich Ski. Vom kleineren Zelluloidball kommen Markus Bühler, Peter Welzel und Jochen Mehl. Unter seinem Mädchennamen Nast war Peter ein gefürchteter Abwehrspezialist bei den Malmsheimer TT’lern. Jochen spielte 13 Jahre in der Landesliga und transferierte dann seine starke Vorhand und seine schwache Rückhand von der Platte auf den Sandplatz. Marathon-Mann Marc Maurer verbinden zwar die meisten mit Spitzenplätzen bei den diversen Lauf-Events, doch seine Spezialität, sich nach jedem Ball zu hechten, ist wohl eher seiner Faustball-Vergangenheit geschuldet. Und last but not least gibt es mit Jens Nies einen leibhaften Iron-Man-Finisher und mit Roland Muth einen Schachspieler mit Oberliga-Erfahrung und einer einst beachtlichen ELO-Zahl von über 2100. Lediglich Ralph Göbel, Bernie Krauss, Ralf Winkelmann, Raimund Schröder, Stefan Auch und Peter Börgardts waren schon Tennis-Kinder, als die viel zu kurzen Tennishosen und die Poloshirts noch blütenweiß sein mussten.
Dritte Halbzeit
Neben ambitionierten Saisonzielen und dem Spaß am Tennis kommt aber auch die Gemeinschaft neben dem Platz nicht zu kurz. Die Winterpausen wurden schon mit gemeinsamen Ski-Events und Dart-Turnieren überbrückt und ab Oktober gibt es in der tennisfreien Zeit einen Stammtisch. Insgesamt sind die Feste und „Trainingslager“ verglichen mit den wilden Herren-30-Zeiten zwar etwas weniger und ruhiger geworden, doch wenn einer am Donnerstag mal verhindert ist, dann kann es durchaus sein, dass er sich zumindest zur „dritten Halbzeit“ auf der Tennis-Terrasse einfindet.
Willkommenskultur
Nicht umsonst also übt die Truppe eine gewisse Anziehungskraft aus und es zeichnet sich für die kommende Saison bereits wieder Zuwachs ab. Neuzugänge werden traditionell freundlich aufgenommen und sind herzlich zum Stammtisch an jedem ersten Donnerstag des Monats ab 19 Uhr im Tennisheim eingeladen.